Mobbing, Bossing, Straining
Ich beschränke mich hier auf Mobbing im Arbeitskontext, weil ich mich damit jahrzehntelang beruflich beschäftigt habe, u.a als Leiterin von Beschwerdestellen und viele KlientInnen im Coaching in solchen Situationen unterstützt habe. Natürlich gibt es noch viele weitere Bereiche wie Schule, Cybermobbing und im privaten Bereich.
Definition Mobbing
Mobbing ist eine 'konfliktbelastete Situation', die zwischen Kollegen oder Vorgesetzten und Untergebenen stattfindet, systematisch und über einen längeren Zeitraum. Bei Mobbing am Arbeitsplatz wird stets ein Ziel verfolgt: die zielgerichtete Belästigung und Ausgrenzung des Betroffenen. Das Ziel ist erreicht, wenn der Betroffene krank wird, kündigt oder versetzt bzw. gekündigt wird.
Motivation
Grundmotive sind in der Regel Angst, Neid, Frust, Langeweile, falscher Ehrgeiz. Etlichen Menschen gibt es eine gewisse Befriedigung, wenn sie Macht über andere ausüben können; nicht selten haben sie selbst unter Demütigungen, Erniedrigungen, Gewalt etc. gelitten.
Kriterien für Mobbing
Wenn diese 5 Kriterien erfüllt sind, ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich Mobbing: Wiederholungsaspekt, verletzende Intention, Kräft- und Machtasymmetrie, Hilflosigkeit und Vertreibungsstreben.
Ein Konflikt ist noch lange kein Mobbing
Konflikte und unterschiedliche Meinungen gehören zum Leben dazu, das ist ganz normal, privat wie am Arbeitsplatz. Da gibt es Stress, Druck, knappe Ressourcen, da vergreift man sich schon mal im Ton oder es knallt eine Tür. Das ist nicht angenehm, aber menschlich und kein Mobbing. Da heisst es erstmal Ruhe bewahren und bei nächster Gelegenheit zwecks Klärung sachlich ansprechen, sagen, was man selbst nicht ok fand, wie es bei einem selbst ankam und was einen stört. Evtl. gibt es eine Entschuldigung und eine Lösung wird gefunden oder ein Kompromiss, im konstruktiven und wertschätzenden Miteinander. Mobbing dagegen hat Methode und System und tritt über eine längere Zeit und ohne aktuellen Anlass auf.
Varianten Bossing und Staffing
Bei Bossing (Machtmissbrauch) ist die mobbende Kraft der/die Vorgesetzte, eine Führungskraft oder mehrere Personen der Unternehmensleitung. Die betroffenen Arbeitnehmenden besetzen in diesem Fall generell eine niedrigere Position in der Firmenhierarchie und haben kaum eine Chance, sich gegen diese Form des Machtmissbrauchs zu wehren.
Seltener dagegen ist das Staffing, bei dem KollegInnen zusammenarbeiten, um die Stellung und den Ruf des/der Vorgesetzten zu schädigen.
Indikatoren
- Verweigerung von Äußerungsmöglichkeiten und Kontakt
- Herabsetzung (auch vor Dritten) verbal und/oder durch Gestik, Mimik
- Gesprächsverweigerung, Verweigerung von Klärungen, Abwiegeln, Hinhaltetaktik
- Ausgrenzung, Isolation
- Verweigerung von Informationen oder Falschinformation
- Manipulation von Arbeitsergebnissen
- Angriffe auf die sozialen Beziehungen und das Ansehen
- Verunglimpfungen, Kränkungen, Anspielungen, üble Nachrede
- Verhinderung von Fortbildungen, Aufstiegsmöglichkeiten
- negative Beurteilung und erfolgreiche Unterbindung von Bewerbungen
- Entziehen oder Verweigern von Ressourcen, personell, finanziell, Infrastruktur
- Gesundheitsgefährdende Maßnahmen
- Einschränkungen der Berufs- und Lebensqualität, z. B. durch Unter- oder Überforderung
- unangemessene oder nicht lösbare Arbeitsaufgaben, unangemessene Kritik
Straining
Straining am Arbeitsplatz (vom englischen "to strain" = belasten, überanstrengen) ist eine Form der psychischen Gewalt, die sich durch die systematische Entziehung von Aufgaben und Verantwortung ausgezeichnet. Das Ziel ist es, den Betroffenen durch erzwungene Langeweile und Isolation so stark zu belasten, dass dieser das Unternehmen freiwillig verlässt; es wird oft bei älteren Arbeitnehmern angewandt und Menschen mit Kündigungsschutz wie Schwerbehinderte.
Im Gegensatz zu Mobbing, das oft offene Angriffe und Schikanen durch Kollegen oder Vorgesetzte über einen längeren Zeitraum beinhaltet, ist Straining subtiler und geht meist von der Führungsebene aus. Es handelt sich oft um eine einzelne, aber weitreichende strukturelle Maßnahme, deren negative Wirkung über Wochen, Monate oder Jahre anhält. Die Zunahme von Straining hängt oft mit modernen Managementmethoden und rechtlichen Hürden zusammen.
Arbeitgeber können unbequeme Mitarbeiter oder solche, die sie loswerden wollen, nicht immer einfach kündigen (z.B. aufgrund von Kündigungsschutzklagen). Straining wird als Mittel eingesetzt, um den Mitarbeitenden zur freiwilligen Kündigung zu bewegen und Abfindungszahlungen oder langwierige Kündigungsschutzverfahren zu umgehen. Da Straining weniger offensichtlich aggressiv ist als Mobbing, ist es für den Arbeitnehmer schwieriger nachweisbar und bietet eine vermeintlich "sauberere" Methode, jemanden loszuwerden.
- Entzug der Arbeitsgrundlage: Dem Mitarbeiter werden alle relevanten oder qualifizierten Aufgaben weggenommen.
- Zuweisung sinnloser Tätigkeiten: Der Betroffene erhält Aufgaben weit unter seinem Qualifikationsniveau oder gar keine Aufgaben mehr.
- Informationsentzug: Wichtige Informationen werden vorenthalten, der Mitarbeiter wird von Kommunikationswegen abgeschnitten.
- Soziale Isolation: Der Arbeitsplatz wird an einen isolierten Ort verlegt, oder die Person wird von Meetings und sozialem Austausch ausgeschlossen.
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Die Wissenschaft hat mittlerweile über 100 Mobbinghandlungen definiert. Durch Mobbing kann es zu erheblichen Einschränkungen der Berufs- und Lebensqualität kommen, es verursacht hohen Leidensdruck und kann zu schweren psychischen und physischen Krankheiten führen. Mobbing ist für Betroffene oft die Hölle, aus der es scheinbar keinen konstruktiven Ausweg gibt. Je länger es dauert bzw. ausgehalten wird, destor erheblicher können gesundheitliche und finanzielle Schädigungen sein.
Mobbing verursacht immense Kosten für Unternehmen durch Fehlzeiten, verminderte Leistung, Bindung von Zeit und Energie für Schutz- und Abwehrstrategien - und für die Gesellschaft durch Folgeerkrankungen bis hin zu dauerhafter Arbeitsunfähigkeit.
Maßnahmen
Mobbing ist kein Konflikt und nicht mit Konfliktbearbeitungsmethoden lösbar, auch wenn in der Folge Konflikte auftreten können. Sollten Sie den begründeten Verdacht haben, dass Mobbing vorliegt, empfiehlt sich das Führen eines Mobbingtagebuchs und wenden Sie sich bitte zunächst an Ihre Vorgesetze(n) bzw. die nächsthöhere Vorgesetze(n). Auch das Einschalten entsprechender Anlaufstellen wie Betriebsrat, Clearing- oder Beschwerdestellen kann hilfreich sein. Warten Sie nicht zu lange mit der Klärung, Mobbing beschädigt den Betroffenen und das Umfeld und gehört unverzüglich abgestellt. Der Arbeitgeber hat hier eine Fürsorgepflicht wahrzunehmen.
Strafrechtliche Relevanz - § -
Typische Mobbinghandlungen wie Beleidigung, üble Nachrede oder Nötigung werden in Deutschland strafrechtlich verfolgt. Neben dem Strafgesetzbuch (StGB) gibt es seit 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) mit seinen 6 Dimensionen der Diskriminierung. Mobbing beinhaltet eine Dynamik, die auf Macht und Kontrolle abzielt.
Werden Sie aktiv
Vermeiden Sie Isolation, Rückzug, häufige Krankmeldungen. Erwarten Sie nicht, dass sich das von alleine löst und betrachten Sie Ihren Anteil, suchen Sie die Schuld aber nicht (nur) bei sich. Nehmen Sie externe professionelle Hilfe an, verharmlosen Sie die Situation nicht, erstarren Sie nicht in Ohnmacht, werden Sie aktiv, übernehmen Sie Verantwortung für sich und Ihr umfeld, wirken Sie konstruktiv an Lösungen mit.